Swiss Orchestra Tour #5 | Lena-Lisa Wüstendörfer |Viviane Chassot

19. November 2022
19:30
Zürich
Tonhalle

Swiss Orchestra
Lena Lisa Wüsterndörfer, Leitung

Viviane Chassot, Akkordeon

Die Konzerte eröffnet mit Joseph Stalders Sinfonie in Es-Dur ein frühklassisches Werk, das musikalisch im Übergang des ausgehenden Barocks und der aufkommenden Klassik anzusiedeln ist und mit einer ungewöhnlichen Besetzung aufwartet: Der Sinfonie für Streicher werden zwei Hörner an die Seite gestellt, die mal für geistreich anmutende Lebhaftigkeit, mal für festliche Stimmung sorgen.

Dass nicht nur Neuentdeckungen zu ungewöhnlichen Hörerlebnissen führen können, wird an Joseph Haydns letztem Klavierkonzert in D-Dur, Nr.11 deutlich, das sein bekanntestes Werk für diese Gattung ist und zum Repertoire nahezu aller bedeutenden Klaviervirtuosinnen und -virtuosen gehört. Allerdings übernimmt nicht ein Pianist, sondern die Schweizer Akkordeonistin Viviane Chassot den Solopart, deren Interpretation von Haydns Klaviersonaten laut Alfred Brendel, dem Grandseigneur der Klavierwelt, «vollendet» sei. Viviane Chassot entlockt ihrem Instrument, das fest in der Schweizer Volksmusik verankert ist und das landläufig eher mit Rustikalität oder sogar klanglicher Penetranz assoziiert wird, immer wieder neue Farben: Ihr faszinierendes Spiel entführt in heitere, brillante, innige sowie schwermütige Klangwelten. Und so besteht der Reiz für Viviane Chassot – wie sie selbst sagt – darin, «vertraute Musik anders und neu zu hören»: «Man assoziiert den Klang des Akkordeons intuitiv vielleicht mit Musette, Tango, Volkmusik, und so erklingt Haydns Musik in ungewohntem Klangbild. In erster Linie möchte ich aber die Botschaft dieser Musik transportieren, und mein Mittel dazu ist – vielleicht zufällig – das Akkordeon.»

Wie im Konzert des Swiss Orchestra zu hören sein wird, muss Franz Xaver Schnyder von Wartensee den Vergleich mit den berühmten Namen seiner Zeit in keiner Weise scheuen. Noch auf seinem Frankfurter Sterbebett soll der Luzerner Komponist 1868 voller Ehrfurcht gesagt haben: «Die Menschen sollen Gott danken, dass er ihnen einen Haydn gegeben hat!» Und so würde  es Schnyder mutmasslich freuen, dass einem Werk von Haydn seine Ouvertüre in c-Moll an dieSeite gestellt wird. Das 1818 in Schnyders ersten Frankfurter Jahren entstandene, vor Spielfreude sprühende Frühwerk ist ein gelungenes Beispiel für den klassischen Stil.

Während eines einjährigen Aufenthalts in Wien lernte Schnyder Ludwig van Beethovenkennen, traf mehrmals mit ihm zusammen und hoffte auf Unterweisung beim Meister, doch dieser unterrichtete zu jener Zeit prinzipiell nur noch Kardinal Rudolph von Österreich persönlich. Schnyder von Wartensee verbrachte genau jene Zeit zwischen 1811 und 1812 in Wien, in der Beethoven dort seine 8. Sinfonie komponierte, die ebenfalls im Konzert zu hören sein wird. Während sich Beethoven mit zeitpolitischen Umständen im Kontext der jahrelangen napoleonischen Vorherrschaft und der folgenden, europäischen Befreiungskriege beschäftigte, hatte Schnyder von Wartensee ganz andere Sorgen: Im Zuge des Stadtbrands von Baden (bei Wien) am 26. Juli 1812 verlor er seinen gesamten Besitz inklusive Instrumente und Kompositionsmanuskripte und kehrte als Reaktion auf den Brand nach Luzern zurück.